Startseite » Blog » Hilfe, meine Katze beißt

Hilfe, meine Katze beißt

Ich habe eine Frage bekommen, die vermutlich so einige Katzenhalter umtreibt, weil es einfach sehr unangenehm ist: Was mache ich eigentlich, wenn meine Katze mich beißt (oder kratzt oder lautstark und anhaltend maunzt), wenn sie etwas haben will und es nicht sofort bekommt?

Gerade wen eine Katze in Hände oder Füße beißt, ist das nicht nur unangenehm, sondern kann auch richtig gefährlich werden. Katzenbisse entzünden sich schnell. Bei Katzen, die richtig zubeißen, sollte also auf jeden Fall schnellstmöglich ein Verhaltensberater hinzugezogen werden.

Wenn die Katze „nur“ zwickt oder auf einigermaßen harmlose, wenn auch nervige, Art ihren Unmut äußert, könnt ihr aber durchaus erstmal selbst am Problem arbeiten.

Warum machen manche Katzen das?
Katzen die schnell zwicken oder kratzen oder sonstiges aggressiv gefärbtes Verhalten zeigen, wenn sie etwas wollen, haben meistens nicht gelernt mit Frust umzugehen. Frustrationstoleranz, also die Fähigkeit Frust auszuhalten, muss jede Katze lernen. Meistens passiert das sehr früh in der Jugendentwicklung, im Umgang mit Mutter und Geschwistern. Katzen aus Handaufzuchten, Einzelkitten oder Katzen, die sehr früh abgegeben werden, laufen also am ehesten Gefahr, dass es ihnen später an Frustrationstoleranz mangelt. Aber im Grunde kann jede Katze in jedem Alter Frustrationstoleranz lernen und in manchen Fällen leider auch wieder verlernen.

Was nicht funktioniert: Positive Strafe
Wenn ihr eine Katze habt, die nicht gut mit Frust umgehen kann, ist es keine gute Idee sie für ihr Frustverhalten zu bestrafen, z.B. durch Schreckreize oder mit Wasser bepritzen oder ähnliches. Entweder ihr habt eine Katze, die leicht beeindruckbar ist. Dann habt ihr mit diesem Methoden scheinbar Erfolg, weil die Katze sich nicht mehr traut ihre Bedürfnisse bei euch einzufordern. Unter der Oberfläche brodelt der Frust aber weiter und bricht eventuell irgendwann noch heftiger wieder hervor. Außerdem geht es eurer Katze damit auch einfach nicht gut.
Oder ihr habt ein wenig beeindruckbare Katze. Die wird durch die Strafe zusätzlich zu ihren Frust dann möglicherweise auch noch wütend über eure grobe Behandlung und reagiert dann erst recht aggressiv. Und dann ist man schnell in einem Teufelskreis aus Aggression und Strafe.
Und dann gibt es Katzen, die empfinden die Aufmerksamkeit, auch wenn sie noch so aversiv ist, als Belohnung, so dass ihr Verhalten verstärkt wird. Das passiert vor allem bei entweder sehr robusten Katzen, die die Strafe als Spiel auffassen, oder solchen, die sonst kaum beachtet werden und für die Aufmerksamkeit jeglicher Art extrem erstrebenswert ist.

Was nur bedingt funktioniert: Negative Strafe
Etwas erfolgsversprechender ist da das Entziehen von Aufmerksamkeit, wobei auch das wieder zu mehr Frustration führt und deswegen auch nur bedingt funktioniert. Trotzdem kann es, in enger Verzahnung mit den unten aufgeführten positiven Methoden, durchaus sinnvoll sein das unerwünschte aufmerkamkeitsheischende Verhalten zu ignorieren.
Wenn man gebissen und gezwickt wird, ist das natürlich gar nicht so einfach. Da lohnt es sich zumindest für die ersten Trainingseinheiten sich mit „beißfester“ langer Kleidung und Handschuhen zu wappnen.

Was funktioiniert, Teil 1: Frustrationstoleranz und Impulskontrolle trainieren
Wie gesagt, Frustrationstoleranz kann – und muss – gelernt werden. Dazu gibt es einige Trainingsspiele, die gute Dienste leisten. Hier mal nur zwei der vielen möglichen Varianten kurz angerissen:

Futter in der Hand: Ihr nehmt ein Bröckchen Futter in die geschlossene Hand und haltet sie der Katze hin. Es darf für die Katze nicht möglich sein an das Futter in eurer Hand zu kommen. Bei Katzen, die dann sofort fest zwicken oder zubeißen, bieten sich Handschuhe an oder ein verschließbares – aber nicht geruchsdichtes – Gefäß. Die Katze wird versuchen an das Futter zu kommen. Alle groben Versuche werden einfach ignoriert. Die Hand bleibt zu. Sobald die Katze sich etwas zurücknimmt, also vielleicht an der Hand leckt anstatt zu beißen – und wenn es nur für eine halbe Sekunde ist – geht die Hand oder das Gefäß sofort auf und sie darf das Futterbröckchen nehmen.
Mit der Zeit lernt die Katze so, dass sie schneller zum Ziel kommt, wenn sie sich zurücknimmt und sanfter mit ihrem Menschen umgeht.

Das 10-Leckerchen-Spiel: Ihr legt einige Leckerchen bereit, so dass eure Katze nicht rankommt. Dann nehmt ihr nach und nach ein Leckerchen nach dem anderen und zählt sie laut in eure Hand: 1-2-3-4-5-6-7-8-9-10. Ihr seid bei 10 angekommen seid und eure Katze wartet noch einigermaßen geduldig? Lobt sie und werft ihr das erste Leckerchen zum Nachjagen. Sobald sie es gefressen hat und sich wieder zu euch umdreht, darf sie das zweite jagen und und so weiter, bis alle 10 Leckerchen aufgebraucht sind.
Sollte eure Katze beim Zählen grob und übermaßig ungeduldig werden, dann legt ihr die Leckerchen mit einem „Schade“ wieder zurück und fangt von vorne an.
Damit das gerade für ungeduldige Katze nicht zu schwer und – doch wieder – frustrierend wird, passt ihr die Anzahl der Leckerchen bitte den aktuellen Fähigkeiten eurer Katze an. Das heißt, je nachdem wieviel Geduld eure Katze aufbringt, zählt ihr vielleicht erstmal nur bis 5 oder 3 oder – bei sehr leicht frustrierbaren Katzen – vielleicht sogar nur bis 1. Wenn das gut klappt, dann könnt ihr die Anzahl schrittweise erhöhen.

Wer nicht mit Leckerchen arbeiten will, der kann auch eine Spielangel rausholen und Lauerspiele spielen. Auch das steigert die Impulskontrolle.

Wichtig ist, egal wie und was ihr trainiert, dass eure Katze dabei immer noch Spaß hat und nicht noch mehr frustriert wird. Das wäre kontraproduktiv. Auch wenn ihr vielleicht gerade selbst ziemlich genervt seid vom Verhalten eurer Katze, bleibt ihr gegenüber fair. Sie macht das nicht um euch zu ärgern.

Was funktoniert, Teil 2: erwünschtes Verhalten belohnen
Jede Katze hält in ihrem energischen Fordern nach Aufmerksamkeit, Futter oder was auch immer sie gerade will auch mal kurz inne. Das ist euer Moment um sie zu belohnen und ihr genau das zu geben, das sie gerade noch so energisch eingefordert hat. Anfangs muss man da oft schnell sein – dann lohnt es sich, wenn man ein Markersignal etabliert hat. Wenn ihr es aber geschickt anstellt und diese kurzen Momente ausnutzt, dann werdet ihr bald feststellen, dass eure Katze anfängt genau dieses Verhalten, das sie zum Erfolg geführt hat, immer öfter und ausdauernder zu zeigen.

Was auch noch hilft, Teil 1: vorausschauende Bedürfnisbefriedigung und Rituale
Eine Katze, deren Bedürfnisse zuverlässig und vorhersehbar befriedigt werden hat keinen Grund sie – aggressiv oder nicht – einzufordern. Wenn ihr also wisst, dass eure Katze zu einer bestimmte Uhrzeit immer hungrig wird, dann fütter sie doch einfach regelmäßig kurz vorher. Wenn eure Katze euch Abends beim Fernseh schauen nervt, dann legt doch jeden Abend eine kleine 10-minütige Spielrunde ein, bevor ihr es euch auf dem Sofa bequem macht.
Diese Rituale bieten eurer Katzen außerdem Erwartungssicherheit. Sie weiß zuverlässig, wann sie etwas bekommt (und wann nicht).
Zugegeben, dadurch lernt eure Katze keine Frustrationstoleranz. Aber zum einen ist sie allgemein weniger frustiert und damit besser für das Frustrationstoleranztraining gerüstet und zum anderen habt ihr dadurch ein gutes Management, bis das Training Früchte trägt und eine allgemein zufriedenere Katze.

Was auch noch hilft, Teil 2: Entspannung
Frust bzw. Aggression und Entspannung widersprechen sich. Eine entspannte Katze beißt nicht. Auch Entspannung ist etwas, das eine Katze lernen kann und sogar etwas, das ihr nach etwas Training mit einem Signal oder Geruch auslösen könnt, zumindest innerhalb eines gewissen Rahmens. Recherchiert einfach mal ein wenig zum Thema konditionierte Entspannung. Hier habe ich auch schonmal was dazu geschrieben

Was man immer beachten sollte: Gesundheitszustand und Hintergrundstress
Bei allen Verhaltensproblemen, und ganz besonders solchen, die mit Angst oder Aggression einhergehen, gilt immer: Erstmal Schmerzen und andere Krankheiten ausschließen. Deswegen ist es in solchen Situationen einen gute Idee, lieber einmal zu viel als einmal zu wenig zum Tierarzt zu gehen. Vor allem dann, wenn die Trainingsmethoden so gar nicht anschlagen wollen.
Damit eng verknüpft ist auch immer die Frage nach dem Hintergrundstress. Auch Stress, der scheinbar gar nichts mit der aktuellen Situation zu tun hat, belastet die Katze und beeinträchtigt Fähigkeiten wie Frustrationstoleranz und Impulskontrolle.

Ihr habt allgemeine Fragen zu Verhalten, Erziehung und Beschäftigung von Katzen? Schreibt mir gerne eine E-Mail an blog@felipaws.de mit euren Themenwünschen.