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Ein Beziehungsglas voller Kieselsteine

Wenn ihr eine Katzenvergesellschaftung hinter euch habt – vielleicht mit Gittertür – und euch dafür einen Verhaltensberater zur Unterstützung geholt habt, habt ihr wahrscheinlich die folgenden Aussagen so oder so ähnlich schonmal gehört:
„Achte darauf, dass sie möglichst viele positive Erlebnisse miteinander haben.“
„Eine Trainingssitzung sollte immer positiv enden.“
„Ein kleiner Erfolg ist mehr wert als ein großer Schritt, der so mittelmäßig läuft.

Warum wird das immer wieder betont? Und warum so kleine Trainingsschritte? Würde es mit größeren nicht viel schneller gehen?

Stellt euch vor die Beziehung zwischen euren Katzen ist ein Glas mit Kieselsteinen.

Wenn sie sich noch nicht kennen, dann ist das Glas vielleicht zu einem Viertel gefüllt. Bei sehr sozialen Katzen möglicherweise sogar zur Hälfte. Bei nicht-sozialisierten Katzen ist oft nur der Boden bedeckt.
Jedes Mal, wenn eure Katzen eine gute Erfahrung miteinander machen, dann dürft ihr einen neuen Kiesel ins Glas werfen.
Wenn sie eine schlechte Erfahrung miteinander machen, muss ein Kiesel raus.
Der letzte Eindruck einer Trainingssitzung bleibt besondern im Gedächtnis hängen, wenn die Gittertür wieder zugeht. Deswegen verdreifacht sich da die Anzahl der Kiesel, die in das oder aus dem Glas kommen.
Wenn das Glas voll ist, sind eure Katzen beste Freunde und es muss schon viel passieren, dass es zum Streit kommt.
Wenn das Glas leer ist, dann ist nichts mehr viel zu retten. Die zwei Katzen finden sich dann einfach doof.

Schauen wir mal an, wie so eine Trainingseinheit am Gitter ablaufen könnte und was das für unser Kieselglas bedeutet:

Ihr macht die Gittertür auf, die Katzen sehen sich, beschnuppern sich vielleicht sogar kurz, zur Belohnung gibt es ein paar Leckerchen und die Tür geht wieder zu.
Jackpot. Der letzte und einzige Eindruck war positiv. Drei Kiesel ins Glas.

Diesmal lasst ihr die Tür etwas länger auf. Es läuft ja schließlich so gut. Dann merkt ihr aber, dass eure Katzen langsam etwas angespannt wirken und sich gegenseitig etwas skeptisch beobachten. Gut, dass ihr Körpersprache gut lesen könnt. Schnell macht ihr die Tür zu, bevor die Situation eskaliert.
Das ist gerade nochmal gut gegangen. Der letzte Eindruck war so mittelmäßig, weder gut noch schlecht, aber davor hat es ja gut geklappt. Ein Kiesel ins Glas. Immerhin.

Leider habt ihr nicht gut genug aufgepasst und die ersten Warnzeichen ignoriert. Jetzt schlägt eine eurer Katzen fauchend ans Gitter. Schnell die Tür zu.
Hm, naja, einen guten Anfang hattet ihr ja trotzdem (+1), aber der letzte Eindruck war ziemlich negativ (-3). Da müssen heute leider zwei Kiesel raus aus dem Glas.

Bevor ihr nach dem Fauchen die Tür zumacht, sprecht ihr eure Katzen nochmal freundlich an und verteilt ein paar Leckerchen. Wirklich toll finden sie den anderen gerade trotzdem nicht, aber bevor ihr die Tür schließt, haben sich beide wieder einigermaßen beruhigt und verhalten sich friedlich.
Ein gutes Erlebnis am Anfang (+1), dann ein schlechtes (-1), den letzten Eindruck habt ihr gerade noch nach neutral gerettet. Heute ändert sich in eurem Glas nichts.

Natürlich sind Beziehungen sehr viel komplexer als ein paar Kiesel mehr oder weniger in einem Glas. Aber wenn ihr gerade etwas frustriert seid, warum eure Vergesellschaftung nicht voran geht, obwohl ihr doch so viel mit den Katzen übt, dann schaut vielleicht mal genauer hin, wie ihr das Beziehungsglas dabei tatsächlich füllt. Oder auch nicht.
Vielleicht stellt ihr euch ja tatsächlich mal ein Glas neben die Gittertür und entscheidet nach jedem Training, ob ihr diesmal Kiesel reingeben dürft, oder sogar welche rausnehmen müsst.

Ihr habt allgemeine Fragen zu Verhalten, Erziehung und Beschäftigung von Katzen? Schreibt mir gerne eine E-Mail an blog@felipaws.de mit euren Themenwünschen.