Startseite » Archive für Felipaws

Autor: Felipaws

Konditionierung, Beziehung oder was?

Heute wird es mal etwas wissenschaftlich. Dabei geht es um ein Thema, das mir deswegen sehr wichtig ist, weil einfach sehr viel Fehlinformation und Missverständnisse unterwegs sind, ganz besonders in den sozialen Netzwerken. Da hört man von Haltern, dass sie Clickertraining ablehnen, weil sie ihre Katzen "nicht konditonieren" wollen. Oder es tauchen solche Schlagworte auf wie "Beziehung statt Erziehung" oder "Kommunizieren statt Konditionieren" und vermitteln den Eindruck Konditionierung wäre irgendwie was Böses oder Unnatürliches.
Dabei schließen sich solche Konzepte wie Beziehung und Kommunikation auf der einen Seite und Konditionierung auf der anderen Seite keineswegs aus. Ganz im Gegenteil, sie gehören sogar untrennbar zusammen.
Um das genauer zu beleuchten, machen wir heute mal einen etwas umfassenderen Ausflug in die Lerntheorie.

mehr...

Facharbeit: „Stress und naturheilkundliche Stressreduktion bei der Katze“

Im Rahmen meiner Ausbildung zur tierärztlich geprüften Tierheilpraktikerin für Hunde und Katzen habe ich eine Facharbeit erstellt. Nachdem ich meine Abschlussprüfung nun offiziell bestanden habe (Juhu!), wäre es schade, wenn die Arbeit in den Tiefen irgendeines Archivs verschwindet. Deswegen möchte ich sie euch gerne zur Verfügung stellen.

Natürlich bin ich meinem Hang zu Katzen und Verhalten treu geblieben. Wen also das Thema „Stress und naturheilkundliche Stressreduktion bei der Katze“ interessiert, der darf sich die Arbeit gerne hier:

„Stress und naturheilkundliche Stressreaktion bei der Katze“

herunterladen, lesen, abspeichern, weitergeben und auch verlinken, aber bitte nicht an anderer Stelle hochladen.
Was genau okay ist und was nicht, findet ihr auch nochmal detaillierter am Ende der Arbeit. Oder ihr fragt mich einfach unter blog@felipaws.de.

Ich wünsche ganz viel Spaß beim Lesen und vielleicht die eine oder andere neue Erkenntnis. Denkt aber bitte daran bei massivem oder chronischem Stress eurer Katzen und vor allem auch vor der Gabe irgendwelcher Mittelchen erst einen Verhaltensberater, Tierarzt oder Tierheilpraktiker zu Rate zu ziehen.

Schnelle Hilfe für Augentropfen

Gipsy hat eine leichte Binde- bzw. Hornhautentzündung. Das ist nicht übermäßig tragisch, da es sich schnell und zuverlässig behandeln lässt.
Es bedeutet allerdings, dass sie nun für mindestens eine Woche Augentropfen bekommen muss. Zwei verschiedene Tropfen, je dreimal täglich mit einem Abstand von mindestens 20 Minuten. Das heißt, sechs mal am Tag muss ich ihr die nächste Woche Flüssigkeiten ins Auge tropfen.

Einge von euch werden sich jetzt wahrscheinlich bei dem Gedanken erwischen, dass ihre Katze nach spätestens zwei Tagen unter dem Bett sitzen und nicht mehr vorkommen würde. Oder dass sie drei Leute festhalten müssten, weil sie wild um sich schlägt.
Es ist tatsächlich eine große Gefahr bei solchen Maßnahmen, dass die Katze immer mehr ausweicht und sich wehrt. Vom Vertrauensverlust ganz zu schweigen.
Jetzt müssen die Tropfen aber nunmal rein, sechs mal am Tag. Und das ist einfach unangenehm, daran kann ich wenig ändern. Vorher trainieren ist schwierig, denn wer tropft seiner Katze schon ohne Not irgendwas ins Auge – künstliche Tränenflüssigkeit wäre vielleicht denkbar – und jetzt ist wenig Zeit darauf zu warten, dass der kleine Tiger sich kooperationsbereit zeigt.

Also doch Jagen, Packen, Festhalten, Zwingen? Ganz so schlimm muss es nicht ablaufen. Denn auch Kleinigkeiten können eine große Wirkung haben. Deswegen will ich ein paar einfache Maßnahmen mit euch teilen, mit denen ich derzeit bei Gipsy dafür sorge, dass das ganze Prozedere so stressarm wie möglich bleibt.

Training
Wie gesagt, das Augentropfen geben zu trainierne ist etwas schwierig. Gipsy kennt es aber immerhin schonmal, dass ich an ihrem Auge rumhantiere und es untersuche. Das haben wir geübt. Übrigens haben wir genau damit die Entzündung überhaupt erst entdeckt. Auch immer hilfreich: Ein Entspannungssignal.

Keine Flasche, keine Gefahr
Wenn ich vorhabe Gipsy ihre Tropfen zu verabreichen, stelle ich immer grundsätzlich vorher die Flasche mit den Augentropfen bereit. Und zwar so, dass Gipsy es sieht. Das klingt vielleicht erstmal wenig hilfreich, denn damit hat sie ja Zeit sich schon vorher reinzustressen oder wegzulaufen. Aber: Es bedeutet auch, wenn keine Flasche zu sehen ist, besteht keine Gefahr für Augentropfen. Das wirkt einem Vertrauensverlust entgegen. Frauchen ist nur mit der blöden Flasche doof. Ohne ist alles wie immer.

Flasche kann auch Schönes bedeuten
Andererseits hole ich die Flasche auch manchmal vor, ohne dass es Zeit für die Tropfen ist. Dann passieren aber grundsätzlich super tolle Dinge, wie Kuscheln, Spielen, Futter jagen etc. Das widerum wirkt der Gefahr entgegen, dass Gipsy sofort die Flucht ergreift, wenn sie die Flasche sieht.

Zusammegefasst:
Keine Flasche -> keine Gefahr
Flasche -> entweder die doofen Augentropfen, oder was richtig, richtig Tolles

Sanft, aber beherzt
Wenn ich ihr die Augentropfen dann tatsächlich gebe, dann tue ich das zwar sanft und möglichst entspannt, aber doch beherzt und so zügig wie möglich. Ich hebe Gipsy mit Ankündigung hoch, setze sie zwischen meine Beine, halte sanft ihren Kopf fest, schiebe die Augenlider auf – die zwickt sie gerne zusammen. Sie weiß ja, was kommt – und verabreiche ihr die Tropfen.
Hinweis nebenbei: Bitte stützt die Hand, die die Tropfen hält, immer leicht am Kopf eurer Katze ab, so dass das Fläschchen etwa 1-2 cm über dem Auge schwebt. Es kann immer sein, dass eure Katze plötzlich den Kopf hochreißt. Das Abstützen verhindert, dass ihr dabei aus Versehen mit dem Fläschchen ans Auge kommt, da die Bewegung eurer Katze eure Hand mitnimmt.

Erste Beruhigen, dann Gehen
Ich bin normalerweise kein Freund davon Katzen gegen ihren Willen festzuhalten. Nach den Augentropfen tue ich das aber tatsächlich und zwar solange, bis Gipsy sich wieder beruhigt hat. Ich halte sie nach dem Verabreichen der Tropfe einfach noch ein bis zwei Minuten sanft fest – inzwischen versteckt sie dabei das Köpfchen schon in meiner Armbeuge – und streichel sie so lange beruhigend, bis sie sich wieder einigermaßen entspannt hat. Erkennen kann ich das ganz gut daran, dass sie wieder anfängt das Streicheln aktiv zu genießen oder daran, dass sie wieder Leckerchen annimmt.
Ich will einfach, dass sie die Situation mit einem möglichst entspannten, positiven letzten Eindruck wieder verläßt.

Belohnung
Nach den Tropfen folgt natürlich eine ganz tolle Belohnung. Streicheln oder Leckerli, ein Spiel, ein Baldriankissen oder was auch immer die Katze mag.
Mein Ziel ist, dass Gipsy nach jeder Behandlung, wenn ich sie wieder loslasse, freiwillig bei mir bleibt. Bei uns heißt das meistens, dass sie auf ein Futterstück lauern und es dann jagen darf. Da ist der Schreck von gerade meistens sofort wieder völlig vergessen.

Schöne Dinge
Gerade wenn ich meine Katze so häufig jeden Tag so gemein ärgern muss, achte ich nochmal besonders darauf, dass wir zwischendurch auch viele schöne Momente zusammen haben. Das muss gar nichts Großes sein. Oft ist es nur ein kurzes Kopf- oder Kinnkraulen im Vorbeigehen, oder ein Futterstück jagen oder eine freundliche Ansprache. Dinge, die nur ein paar Sekunden dauern, dafür aber immer und immer wieder über den ganzen Tag verteilt.

Es sind meistens gar keine großen und aufwändigen Dinge, die den entscheidenden Unterschied machen. Es muss nicht immer das wochenlange Training sein – obwohl das natürlich nie schadet. Gerade bei akuten Erkrankungen lässt es sich oft nicht verhindern, dass doofe Dinge nunmal sein müssen. Wir können aber viel dafür tun, dass diese doofen Dinge ein großes Stück weniger doof werden und vor allem unsere Beziehung zu unseren Katzen darüber hinaus nicht unnötig belasten.

Ihr habt allgemeine Fragen zu Verhalten, Erziehung und Beschäftigung von Katzen? Schreibt mir gerne eine E-Mail an blog@felipaws.de mit euren Themenwünschen.

Die Belohnungsliste

Egal ob ihr mit eurer Katze clickert oder ihr im Alltag Verhaltensregeln beibringen wollt, ihr werdet irgendwann an den Punkt kommen, an dem ihr eure Katze für gutes Verhalten belohnen wollt. Zumindest dann, wenn ihr freundlich und katzengerecht mit eurer Katze arbeitet, wozu ich euch nur raten kann.

Ganz beliebt als Belohnung sind Futter und Spiel. Damit kommt man auch meistens schon ziemlich weit. Aber auch die futtermotivierteste Katze ist mal satt und bei 31°C im Schatten schauen zumindest meine Katzen einer Spielangel nur noch verständnislos, müde blinzelnd hinterher.

Training jeder Art funktioniert am Besten, wenn man variabel und bedürfnisorientiert belohnt und genau da kommt die Belohnungsliste oder Top 20 ins Spiel.

Setzt euch mal hin und schreibt eine Liste aller Dinge, die eure Katze gerne macht. Völlig egal, ob sie das jetzt darf/soll oder nicht. Geht sie gerne nach draußen? Jagd sie gerne einem Tischtennisball hinterher? Kratzt sie gerne an der Tapete? Stürzt sie sich gerne auf den Hund? Fängt sie gerne Spinnen? Liebt sie es hinter dem Ohr gekratzt zu werden? Gibt es ein bestimmtes Futter, für das sie alles tun würde? Erkundet sie gerne euren Kleiderschrank? Rollt sie sich bevorzugt auf euren getragenen Klamotten zusammen? Zefetzt sie gerne die Zeitung? Sitzt sie gerne auf der Arbeitsplatte, während ihr kocht? Gibt es einen Trick im Clickertraining der ihr so richtig viel Spaß macht? Es gibt unzählige Dinge. Beobachtet einfach mal, was eure Katze so alles tut (bzw. tun würde) wenn sie darf, wie sie will und macht daraus eine Liste. Diese Liste sollte mindestens 20 Einträge haben. Je mehr umso besser.

Dann geht ihr eure Liste durch und streicht alles raus, was ihr eurer Katze nicht erlauben könnt oder wollt. Dazu gehören hauptsächlich Dinge, die für eure Katze oder euch gefährlich sind und Dinge, die ihr eurer Katze bewusst abtrainiert habt. Hoffentlich bleiben dann trotzdem noch eine ganze Reihe Punkte übrig. Wenn nicht, überlegt nochmal, was ihr vielleicht noch auf die Liste setzen könnt.

Alternativ könnt ihr die nicht erlaubten Lieblingsbeschäftigungen auch einklammern und euch überlegen, ob es etwas gibt, das ihnen sehr nahe kommt und das ihr erlauben könnt. Den Hund anspringen ist nicht okay, aber vielleicht tut es ja auch ein großes Stofftier.

Lasst auch ruhig Punkte drauf, die eure Katze eigentlich nicht darf, die ihr aber als Belohnung mal ohne große Nebeneffekte erlauben könnt. Wenn zum Beispiel eurer Kleiderschrank normalerweise geschlossen ist, weil ihr nicht wollt, dass sich eure Katze durch die Klamotten wühlt, könnt ihr ihn ruhig mal als Belohnung öffnen. Dann darf eure Katze das Innere für fünf Minuten unter Aufsicht untersuchen und danach macht ihr den Schrank einfach wieder zu. Dadurch kommt eure Katze nicht in Versuchung. Auf der anderen Seite wäre es keine gute Idee eure Katze als Belohnung ausnahmsweise auf die Küchenarbeitsplatte zu lassen, wenn sie das normalerweise nicht darf. Denn da kann sie nur schwer unterscheiden, wann es erlaubt ist und wann nicht.

Jetzt nehmt ihr die übrig gebliebenen Punkte und sortiert sie nach Beliebtheit. Oben kommen die Dinge hin, für die eure Katze alles tun würde. Weiter unten die, die sie gerne mag, wenn es ihr gerade passt. Natürlich werdet ihr keine klare Reihenfolge aufstellen können. Was eure Katze gerade toll findet, ist immer auch situations- und stimmungsabhängig. Das ist auch gar nicht nötig. Grob sollte es halt passen.

Das ist ab sofort eure Belohnungsliste. Alles, was darauf steht könnt ihr verwenden um eure Katz zu belohnen. Oben stehen die absoluten Highlight-Belohnungen, wenn eure Katze was besonders toll gemacht hat, weiter unten die Belohnungen für eher alltägliche Situationen. Natürlich sollte die Belohnung auch immer zu den aktuellen Bedürfnissen eurer Katze passen. Dazu aber gerne in einem anderen Beitrag mehr.

Die Liste hebt ihr gut auf und geht sie alle paar Wochen mal durch um euch zu überlegen, ob sie noch auf die bevorzugten Beschäftigungen eurer Katze passt. Wenn nicht, passt ihr sie einfach entsprechend an.

Ihr habt allgemeine Fragen zu Verhalten, Erziehung und Beschäftigung von Katzen? Schreibt mir gerne eine E-Mail an blog@felipaws.de mit euren Themenwünschen.

Klauende Katzen und brüllende Trolle

Minka springt auf den Tisch und schnappt sich schnell eine Scheibe Schinken. Sie springt zurück auf den Boden und fängt genüsslich an, den Schinken zu fressen. Dann sieht sie, wie ihre Halterin in die Küche kommt. Schnell würgt sie das letzte Stückchen Schinken hinunter und duckt sich unter einen Stuhl in die Ecke.

„Sehen Sie, die weiß genau, dass sie das nicht darf. Schauen Sie nur mal wie schuldbewusst sie guckt!“

Stopp! Minka wurde gerade massiv vermenschlicht. Minka fühlt sich nämlich gar nicht schuldig. Woher ich das weiß?

Nein, es hat nichts damit zu tun, dass ich glaube, dass Katzen kein Schuldbewusstsein haben können. Die Wahrheit ist: Ich weiß nicht, ob Katzen sich schuldig fühlen können. Ich persönlich habe bisher noch keine Katze gesehen, die Schuldgefühle gezeigt hat. Aber das heißt nichts. Schließlich habe ich bei weitem nicht alle Katzen in allen Situation gesehen.

Vermenschlichend ist in diesem Moment nicht der Katze die Fähigkeit zu bestimmten, komplexen Gefühlen zuzusprechen. Vermenschlichend ist anzunehmen, dass Minka sich für das Klauen des Schinkens schuldig fühlen sollte.

Vermenschlichend ist, dass wir behaupten, Minka hätte etwas geklaut. Das hat sie aus Katzensicht gar nicht. Aus Katzensicht ist sie auf den Tisch gesprungen und hat festgestellt, dass dort Essen rumliegt. Einfach so. Sie ist auf den Tisch gesprungen und hat dort Essen gefunden. Aus Sicht einer (hungrigen) Katze wäre es völlig unsinnig dieses frei verfügbare Essen nicht zu nehmen. Was für eine Verschwendung!

Und warum duckt sie sich dann unter den Stuhl, sobald ihre Halterin in die Küche kommt? Und lässt vorher auch noch schnell die Beweise verschwinden, indem sie den Rest ihrer Schinkenscheibe runterwürgt?

Ganz einfach: Weil sie die Erfahrung gemacht hat, dass ihre Halterin sich völlig irrational aggressiv verhält, wenn Minka – aus Katzensicht völlig legitim – frei verfügbares Essen frisst.

Wechseln wir mal die Situation und die Perspektive:
Ihr wollt einen reißenden Fluß überqueren. Direkt vor euch, wenn ihr einfach dem Weg weiter folgt, führt eine stabile Steinbrücke über den Fluß. Die einzige Brücke weit und breit. Ich glaube wir sind uns einig, dass es völlig unsinnig wäre durch den Fluss zu schwimmen anstatt die Brücke zu nehmen.

Während ihr über die Brücke lauft, kommt ein großer, brüllender Troll aus dem Gebüsch des gegenüberliegenden Ufers und stapft keuleschwingend auf euch zu. Vermutlich werdet ihr schnell das Weite suchen. Denn so groß und dumm und schwerfällig der Troll auch sein mag, er ist euch körperlich hoffnungslos überlegen und deswegen gefährlich.

Was passiert, wenn ihr das nächste Mal an den Fluss und die Brücke kommt? Werdet ihr sie wieder benutzen oder schwimmt ihr diesmal lieber durch den Fluss? Falls ihr euch dazu entscheidet die Brücke trotzdem wieder zu benutzen und der Troll kommt wieder aus dem Gebüsch: Rennt ihr schnell wieder von der Brücke zurück ans Ufer? Weil ihr euch schuldig fühlt, dass ihr die Brücke benutzt habt? Schließlich wisst ihr doch genau, dass ihr die Brücke nicht nehmen dürft. Das hat euch der Troll doch bereits beim ersten Mal sehr deutlich klar gemacht. Wenn ihr euch sicher sein könnt, dass der Troll nicht da ist, schwimmt ihr trotzdem durch den Fluss, weil ihr die Brücke ja nicht benutzen dürft? Oder nehmt ihr doch wieder die Brücke? Und, fühlt ihr euch jetzt schuldig?

Macht die Regel des Trolls für euch Sinn? Nickt ihr und sagt: „Ja, okay, er hat ja recht. Ist schließlich seine Brücke. Das hat er mir ja deutlich genug klargemacht.“? Oder ist er nur groß und aggressiv und deswegen gefährlich?

Das nächste Mal, wenn ihr eure Katze irgendwo wegscheucht, weil sie etwas macht, was sie nicht darf, denkt an den großen, dummen, brüllenden Troll und fragt euch, ob ihr das in den Augen eurer Katze sein wollt.

Wenn ihr lieber wissen wollt, wie ihr es besser machen könnt: Hier findet ihr eine Anleitung zu einem zivilisierten Umgang mit unerwünschtem Verhalten.

Dominante Katzen?

In letzter Zeit stelle ich aber immer wieder fest, dass Katzen gerne mal dominantes Verhalten unterstellt wird, vor allem dann, wenn sie sich regelmäßig aggressiv gegenüber ihrer Mitkatze verhalten.

Höchste Zeit mal einen genaueren Blick darauf zu werfen, was Dominanz eigentlich ist:

Grob kann man Dominanz definieren, als zeit-, orts- und situationsabhängige soziale und/oder ressourcenbezogene Freiheiten, die sich ein Individuum gegenüber einem anderes Individuum erlauben kann.*

Mein Lieblingsbeispiel, um das etwas besser zu verdeutlichen, kommt aus dem menschlichen Bereich. Mein Lieblingsbeispiel ist es vor allem deswegen, weil es sehr deutlich zeigt, dass Dominanz mit Druck, Aggression oder körperlicher Überlegenheit erstmal überhaupt nichts zu tun hat.

Stellt euch vor die Queen von England zeigt sich in der Öffentlichkeit. Hinter den Absperrungen drängen sich jubelnde, fähnchenschwingende Anhänger während die Queen die Straße hinabschreitet. Kommt die Queen jetzt spontan auf die Idee, über die Absperrung hinweg einen ihrer Anhänger herzlich zu umarmen, wird das vielleicht etwas Aufsehen erregen. Es wäre aber gesellschaftlich völlig akzeptabel und würde ihr wahrscheinlich sogar als besonders freundliche, volksnahe Geste angerechnet werden.
Sollte dagegen ein Zuschauer über die Absperrung hinweg versuchen die Queen zu umarmen, wäre das ein Skandal und der arme Mensch, so nett er es auch gemeint hat, würde vermutlich ziemlichen Ärger bekommen.

Grund für den Unterschied ist, dass die Queen schlicht und einfach soziale Freiheiten gegenüber ihren Mitmenschen hat, die diese ihr gegenüber nicht haben. Auch wenn die Wortwahl vielleicht etwas ungewohnt klingt: Biologisch gesehen, ist die Queen hier ihren Untertanen gegenüber dominant.

Wechseln wir die Szene: Die Queen ist auf Reisen und sitzt durch einen dummen Zwischenfall mit einigen Mitmenschen in der Wüste fest. Würde sie jetzt versuchen alle Wasservorräte für sich zu beanspruchen, würden das ihre Mitgestrandeten sicher nicht akzeptieren. Gibt es in der Gruppe aber einen bekannten Überlebenskünstler, könnte der wahrscheinlich die Wasservoräte an sich nehmen und die Verteilung organisieren, so dass alle bis zur Rettung sicher versorgt sind. Er punktet mit Erfahrung und erhält damit – biologisch gesehen – Dominanz über den Rest der Gruppe, sogar über die Queen.

Was heißt das jetzt allgemein für Dominanz:

  • Dominanz beschreibt keine Charaktereigenschaft, sondern immer nur eine Beziehung zwischen Individuen in einer bestimmten Situation.
  •  Dominanz funktioniert nur solange der Subordinate die sozialen Freiheiten des Dominanten anerkennt. Sie wird also immer von unten nach oben aufrechterhalten, nicht, wie man es allgemein gerne annimmt, von oben nach unten.
  •  Nur weil der dominante Part Vorrechte an Ressourcen und soziale Freiheiten hat, bedeutet das nicht, dass er sie immer ausnutzt. Ein am Futter dominantes Tier kann dem submissiven durchaus den Vortritt lassen, wenn es zum Beispiel gerade nicht sonderlich hungrig ist.
  • Dominanzbeziehungen kann es immer nur inneralb einer sozialen Gruppe geben, deren Mitglieder sich (mehr oder weniger) individuell kennen.
  • Dominanzstatus erhält man oft über Erfahrungen und besondere Fähigkeiten. Deswegen bringt sie neben mehr Freiheiten oft auch mehr Verantwortung für andere Gruppenmitglieder mit sich.
  • Dominanzbeziehungen findet man normalerweise nur innerartlich.
  • Jungtiere werden bei den Dominanzbeziehungen ausgeklammert. Sie haben zwar oft auch viele soziale Freiheiten, aber nicht, weil sie dominant sind, sondern weil sich die anderen Gruppenmitglieder ihnen gegenüber bei Regelverstößen nachsichtig zeigen. Schließlich lernen sie noch.

Jetzt wird hoffentlich auch langsam klar, dass Dominanz normalerweise nicht mit Aggression einhergeht. Ganz im Gegenteil: Der Sinn und Zweck von Dominanzbeziehungen ist es Aggression durch festgelegte Regeln zu vermeiden. 

Echte, stabile Dominanzbeziehungen führen zu einem entspannten, friedlichen Miteinander. Jedes Gruppenmitglied kennt die Regeln und seine eigene Stellung in der Gruppe und ist – ganz wichtig! – mit dieser Stellung auch einverstanden.

Kommen wir zu den Katzen zurück:

Katzen sind keine ausgesprochen sozialen Tiere. Deswegen neigen sie sie auch nicht zu besonders ausgeprägten Dominanzbeziehungen. Das heißt nicht, dass es zwischen Katzen keine Dominanzbeziehungen geben kann. Allerdings sind die meistens sehr situationsbezogen und, wenn sie funktionieren, oft so subtil, dass wir als Halter sie kaum wahrnehmen.

Meistens gilt bei Katzen aber sowieso die Regel: Wer zuerst da war, hat das Vorrecht, sei es am Futter, Schlafplatz oder der Benutzung eines Weges. Zeitabhängige Dominanz also, wenn man so will. Eigentlich ein sehr faires System.

Katzen, die ihre Mitkatze angreifen, mobben und unterdrücken, sind dagegen nicht dominant. Meistens sind sie einfach nur überfordert, unausgelastet, ungenügend sozialisiert, haben Angst, verteidigen Ressourcen oder können ihre Mitkatze schlicht nicht leiden und behandeln sie deswegen als Eindringling.

Ihr habt allgemeine Fragen zu Verhalten, Erziehung und Beschäftigung von Katzen? Schreibt mir gerne eine E-Mail an blog@felipaws.de mit euren Themenwünschen.

*Etwas genauer findet ihr das z.B. in Peter Kappeler: „Verhaltensbiologie“